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Die Oberrichter urteilten anders und drehten eine Urteil des Bezirksgerichts Bülach. Zwei Polizisten wurden freigesprochen. Bild: Marc Dahinden

Seit dem Vorfall, bei dem zwei Polizisten in Bülach einen Ferrari-Fahrer verletzten, sind bereits drei Jahre vergangen. Gestern wurde der Fall am Obergericht nochmals aufgerollt. Der Grund: Die beiden Beamten akzeptierten das Urteil des Bezirksgerichts Bülach nicht und gingen in Berufung.Das Bülacher Einzelgericht sprach die Polizisten vor gut einem Jahr des Amtsmissbrauchs und der einfachen Körperverletzung schuldig. Wäre dieses Urteil rechtskräftig geworden, hätte dies wohl eine Kündigung für den 55-Jährigen und seinen 41-jährigen Kollegen zur Folge gehabt. Während der ältere der beiden noch immer bei der Stadtpolizei Bülach arbeitet, absolviert der 41-Jährige zurzeit eine Ausbildung zum Fahrleiter bei einer Bahngesellschaft im Kanton Zürich.

Harmlose Vergehen

Kennon Everlay CLARKSEverlay Clarks Kennon Damen Ein Blick zurück: Das Ganze begann eigentlich harmlos. Der Lenker eines Ferraris missachtete bei seiner Fahrt durch Bülach ein Fahrverbot und verliess danach zweimal einen Kreisel, ohne zu blinken. Dadurch zog er die Aufmerksamkeit von zwei patrouillierenden Stadtpolizisten auf sich. Die Beamten entschlossen sich, den Lenker anzuhalten und zu kontrollieren.

Gemäss Aussagen der beiden Polizisten stieg der Ferrari-Fahrer aus seinem Boliden und bedachte sie mit Flüchen. Seinen Fahrausweis habe der ältere Italiener nur widerwillig herausgerückt. Als die Beamten den Ausweis prüften, setzte sich der Fahrer wieder in seinen Ferrari und legte eine Hand ans Lenkrad. Die Polizisten gingen davon aus, dass er flüchten wollte. Daraufhin packten sie den Italiener am Hals, zerrten ihn aus dem Auto und verhafteten ihn. Dabei prallte er mit dem Kopf auf den Asphalt. Der Geschädigte sagte danach aus, dass ihm einer der Polizisten auch noch das Knie in den Rücken gerammt habe. Die Folgen laut Anklageschrift: Platzwunde im Gesicht, Gehirnerschütterung, Verrenkung der Halswirbelsäule und gebrochene Rippen.

Damen Clarks CLARKSEverlay Everlay Kennon Kennon Angemessen verhalten

Der Verteidiger von einem der Beschuldigten stellte bei der gestrigen Verhandlung am Obergericht klar: «Die Polizisten haben in dieser Situation angemessen gehandelt.» Er habe Verständnis für die Reaktion der Beamten: «Der Lenker wollte die Zündung seines Autos betätigen und fliehen. Die Beiden mussten sich innert weniger Sekunden entscheiden, wie sie darauf reagieren sollen.» Zudem sei zu diesem Zeitpunkt noch vieles unklar gewesen: «Er könnte das Auto geklaut oder seinen Ausweis gefälscht haben. Oder er hatte einfach Angst vor dem drohenden Drogentest», so die Ansicht des Verteidigers.

Der Anwalt des zweiten Beschuldigten glaubte nicht, dass sich bei der Verhaftung derart brutale Szenen abgespielt haben. «Die Aussagen des Geschädigten haben sich oft geändert. Er fügte immer wieder neue Details hinzu.» Zum Zeitpunkt der Verhaftung mussten mehrere Autofahrer hinter dem Ferrari, der sich noch mitten auf der Strasse befand, anhalten. «Hätten die Polizisten den Italiener wirklich so brutal zugerichtet, wie er es schildert, hätten Schaulustige sicherlich Videos davon gemacht und an die Medien geschickt.» Dies sei heutzutage Gang und Gäbe.

Keine Strafen

Die Privatklägerschaft ging von einem abgekarteten Spiel aus: «Die Aussagen der beiden Polizisten sind zum Teil undetailliert und wirken abgesprochen.» Sein Mandant habe zwar geflucht, aber erst nachdem ihn die Beamten geschlagen haben. Der Privatkläger wirft den beiden Verteidigern vor, dass sie die Aussagen des Italieners in ihren Plädoyers ausser Acht gelassen haben. Das gewaltsame Einschreiten der Polizisten sei zu exzessiv gewesen: «Die Polizisten hätten meinen Mandanten ja nicht gerade auf den Boden schmeissen müssen», sagt der Privatkläger.

Die II. Strafkammer des Obergerichts sieht das anders. «Die Beamten trafen bei der Kontrolle auf einen äusserst aggressiven Lenker. Angesichts dessen war ihr Verhalten verhältnismässig», sagte die Richterin. Ausserdem könne das Gericht davon ausgehen, dass die Aussagen der Polizisten der Wahrheit entsprechen. «Abgesprochen wurde sicherlich nichts.»

Ob alle Verletzungen des Italieners wirklich von der Verhaftung stammen, kann laut der Richterin auch nicht abschliessend geklärt werden. Am Schluss der Urteilsverkündung fasste sie zusammen: «Es handelt sich hier um einen Grenzfall, die Reaktion der Polizisten war aber gerade noch angemessen.»

Das Obergericht sprach beide Beschuldigten in allen Punkten frei. Zudem erhalten beide rund 17 000 Franken Entschädigung. Der Italiener geht leer aus.

(Zürcher Unterländer)

Erstellt: 08.05.2018, 17:53 Uhr